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Viel mehr als man denkt

sibyllekammer

Vor ziemlich genau einem Jahr landete ich überraschend auf der Palliativ Abteilung des Unispitals Zürich (siehe Blog vom März 2024). Ich war geschockt und dachte "das war's".

Umso mehr erfreut es mich, dass es mir aktuell seit ein paar Monaten recht gut geht.


Diesen Blogbeitrag habe ich schon vor längerer Zeit geschrieben, aber immer auf den geeigneten Zeitpunkt gewartet ihn zu publizieren, denn es geht um Palliative Care und das ist kein leicht verdaubares Thema. Ich habe auch an den Reaktionen von einigen von euch bemerkt, dass sie etwas "geschockt" oder ängstlich waren, als ich erzählt habe, dass ich einen Blog zu dem Thema in Petto habe. Aber keine Angst, der Blog ist grundsätzlich positiv. Bereits während meines damaligen Spitalaufenthaltes verspürte ich, dass es einiges an Aufklärungsbedarf zum Thema "Palliative Care" gibt und dass ich über meine Erfahrungen schreiben möchte.


Jetzt wo einiges an Zeit vergangen ist und es mir seit ein paar Monaten recht gut geht, dachte ich, dass nun der richtige Zeitpunkt da ist, den Blog zu publizieren. Gerne möchte ich mit euch meine durchaus positiven Erfahrungen teilen.


Was ist Palliativ Care?

Es ist viel mehr als man denkt. Deshalb denke ich, dass es Aufklärungsbedarf und eine bessere, konstruktivere Kommunikation darüber braucht.

Auf verschiedenen Webseiten heisst es folgendes, woraus wahrscheinlich auch die negative Assoziation abgeleitet wird.

  • BAG: Mit Palliative Care soll die verbleibende Lebenszeit von schwer kranken Menschen, die keine Aussicht auf Heilung haben, so gut wie möglich gestaltet werden.

  • Broschüre eines ambulanten Palliativ-Dienstleisters für Patienten und Angehörige: Im Einsatz für unheilbar kranke Menschen. (Meine Randbemerkung: Als Betroffener will ich das nicht als grosser Haupttitel einer Broschüre lesen auch wenn es vielleicht so ist)


Stationäre Palliative Care

Seit einiger Zeit gibt es auch Bestrebungen des Bundes ambulante Palliativ Care zu fördern. Darauf werde ich in dem Blog bewusst nicht eingehen, da es kein politischer Blog werden soll.

Meine Schilderungen beziehen sich auf meine Erfahrungen mit der stationären Palliative Care am Unispital Zürich.


Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich geschockt war, als ich im Februar 2024 auf die Abteilung "Palliative Care" verlegt wurde. Aber rückblickend gesehen, war es super, sogar besser als auf allen anderen Abteilungen, die ich bisher kannte und besser als in den verschiedenen Rehas. Wie viele, assoziierte ich Palliative Care mit dem Sterben und der Endstation im Krankheitsverlauf.


Nach meinem Eintritt in die "Palliative Abteilung" und als ich am Boden zerstört war, erklärte man mir dann aber, dass es zwar Menschen gibt, die auf der Station versterben, die meisten jedoch wieder nach Hause oder in eine andere Institution (z.B. Reha, Pflegeheim) gehen können. Einige Patienten bleiben auch für die Dauer der täglichen Bestrahlungen im Spital und auf der Abteilung - so war es dann auch bei mir für die 20 täglichen Bestrahlungen der Lunge, die auf meine initiale Stabilisierung folgten.


Für mich war der Aufenthalt in dieser Abteilung von meinen verschiedenen Spitalaufenthalten der Beste.


Meine persönlichen Highlights waren:

  • Die Pfleger:innen passten sich automatisch auf meine Situation und den Fortschritt an. Sie verstanden die Bedürfnisse von Krebspatienten (was auf anderen Abteilungen zum Teil nicht der Fall war).

  • Sie sind wirklich multidisziplinär aufgestellt. Neben Physio- und Ergotherapie hatte ich z.B. Musiktherapie, Ernährungsberatung, Energie-/Fatigue-Management.

  • Es gibt Roundtable-Gespräche mit den Angehörigen.

  • Ich durfte den Medizinstudenten im Hörsaal Rede und Antwort stehen. Ich war also BACK ON STAGE. Dies gab mir viel positive Energie, denn ich war unsicher, was meine Auftrittskompetenz betraf. Da es sehr gut lief, hat mich das bestärkt, dass ich auch künftig z.B. wieder als Panelteilnehmerin auftreten kann.

  • Ich durfte bei einer praktischen Lehrabschlussprüfung als Patientin teilnehmen. Ich denke der Lehrling hat bestanden, denn er war sehr gut.

  • Ich durfte an einer Studie zum Thema "Musiktherapie" teilnehmen. Es ging z.B. darum zu testen, wie sich im Zimmer gespielte Livemusik und als Vergleich Musik aus der Boxe auf die Vitalwerte auswirkte.

  • Regelmässiger Besuch des Freiwilligendienstes und dadurch kennenlernen von interessanten Personen.

  • Fussmassage durch den Freiwilligendienst :-)

  • Besuch von spitalinternen Konzerten

  • Ich durfte ich an einem Abend "in den Ausgang", zu einem Abendessen mit Freunden in einem Restaurant in der Stadt.

  • Es herrschte eine unglaublich gute Stimmung beim Personal. Es wurde viel gelacht, was ich super fand.

  • An einem schönen Frühlinkstag hat eine Pflegerin Blumen im Spitalgarten gepflückt und in den Zimmern verteilt (siehe Bild oben).

Ihr seht also, der lange Spitalaufenthalt war vielseitig und hat mich sowohl physisch als auch emotional stark und verhältnismässig schnell weitergebracht.


In dieser Zeit habe ich aus Interesse auch viel Personal gefragt, was auschlaggebend war, dass sie sich für ihren Beruf und ihre Rolle (z.B.in der in der Pflege oder im Freiwilligendienst) entschieden haben. Dies eröffnete mir als Ökonomin neue Perspektiven. Zwar hatte ich mich bereits seit ein paar Jahrzehnten mit Persönlichkeitstypologien beschäftigt, doch wie unterschiedlich die Motivatoren schlussendlich sind, war mir so nicht in dem Masse bewusst. Ich hatte in meiner beruflichen Tätigkeit ja meist mit Menschen mit ähnlichen Verhaltenspräferenzen zu tun ("rote und blaue Typen").

Viele der im Spital arbeitenden Personen haben gesagt: "Ich habe einfach gemerkt, dass ich Menschen gerne helfe und gerne für sie sorge". Die meisten hatten viel Freude, an dem was sie taten und das hat man als Patient auch bemerkt.

Viele des Freiwilligendienstes wollten etwas zurück geben, weil sie selber eine schlimme Situation erlebt hatten.


Was mich zum Abschluss auch beeindruckt hatte: An meinem vorletzten Tag im Spital habe ich mich auf den Weg auf die Dachterrasse gemacht, als mein Bestrahlungsarzt (Top Experte und wohl viel beschäftigt) mich gerade im Zimmer besuchen wollte. Da meinte er spontan: "Lassen Sie uns gemeinsam auf die Terrasse gehen." So besprachen wir meine letzten Fragen vor der Reha auf dem Weg und auf der Terrasse. Das fand ich sehr sympathisch.


Aktuell geht es mir wie bereits erwähnt, recht gut. Im Dezember 2024 hat mein Onkologe gesagt, dass als er mich im Juni 2023 zum ersten Mal gesehen hatte, nie gedacht hätte, dass er mich jemals wieder in so gutem Zustand sehen würde wie aktuell.


So habe ich in den letzten Wochen einige Kaffee-Treffen gemacht, war mit meiner Schwester ein paar Tage in Arosa, bin von Arosa problemlos alleine mit dem Zug nach Hause gefahren. Das stärkt meine Zuversicht und Energie weiter. Weitere Kaffee-Treffs werde ich demnächst planen.

 
 
 

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© 2024 Sibylle Kammer

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